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Donnerstag, 25. Dezember 2008
waly, 21:23h
Ich erzähle dir eine Geschichte. Die Geschichte handelt von einem kleinen Mädchen, Waly, die viele Tage am Fenster stand und wartete, daß ihr Vater nach Hause kommen würde. Die Sehnsucht war so groß, daß sie darüber vergaß, wie oft er ihr versprochen hatte, heimzukehren und dann seine Versprechen brach. So groß war die Sehnsucht, daß ihr Schmerz größer war, als der Schmerz der Enttäuschung. Als das Mädchen alt genug war, ging es fort. Es vergaß den Vater und die Sehnsucht nach ihm, es vergaß die Freude und die Erwartung. Immer wieder stand sie am Fenster und schaute hinaus. Sie wußte nicht warum, wußte nicht, was sie zu sehen hoffte und ging doch immer wieder zum Fenster. Da war dieses Brennen in ihr, das sie immer wieder zum Fenster trieb. Eines Tages begegnete sie einem Mann im Hausflur. Den sah sie gelegentlich, wenn sie aus dem Fenster schaute. Manchmal verließ er das Haus zu Fuß, manchmal öffnete er das Tor, um mit dem Auto wegzufahren. Fortan ging sie zum Fenster, wenn sie das Geräusch der Türe hörte oder wenn jemand das Tor öffnete. Wenn er fortging war sie bedrückt und wenn er wiederkam, wurde ihr leicht ums Herz. Sie wußte nicht warum das so war, denn sie hatte vergessen, warum sie am Fenster stand. Immer häufiger unterbrach sie das, was sie gerade tat, wenn sie ihn zu hören glaubte. Sie wußte jetzt, wann er für gewöhnlich einkaufen ging, wann er abends trainierte und wann er heimkehrte. Sie lernte seine Gewohnheiten. Wenn er außerplanmäßig das Haus verließ, wurde sie unruhig, weil sie nicht wußte, wo er hinging und wann er wiederkam. Dann ging sie doppelt so oft zum Fenster, um hinauszusehen. Einmal sah sie ihn das Haus mit einer Frau verlassen. Da weinte sie den ganzen Tag bitterlich und schwor sich, nicht mehr zum Fenster zu gehen. Doch etwas in ihr zwang sie, bei dem Geräusch der Türe, aus dem Fenster zu schauen. Sie konnte sich nicht gegen diese fremde Macht wehren. Wie eine Süchtige nach der Droge, so wurde sie zum Fenster gezogen. Als sie begriff, dass sie nicht mehr ihr Leben lebte, sondern gelebt wurde, unterband sie dieses Verhalten mit aller Macht. Da spürte sie wieder den Schmerz der Enttäuschung, der dieses Mal noch größer war, als damals und sich mit dem Schmerz der Sehnsucht zu einem großen verbündete. Sie weinte, schrie, raufte sich die Haare, schlug mit dem Kopf gegen die Wand, wälzte sich nachts in Fieberträumen und umklammerte tagsüber die Tischkante. Doch die Schmerzen des Entzuges waren zu groß, noch größer als ihr Wille, nicht mehr ans Fenster zu gehen. Noch ein Mal, ein letztes Mal würde sie nachgeben. Sie ging zum Fenster, öffnete es, kletterte auf den Sims und sprang.
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